Abbildung 1: Für die Industrie sind öffentliche Ausschreibungen eine große Chance, die Vergabeverfahren stellen aber auch immer eine Herausforderung dar.
Mit einem Ausschreibungsverfahren soll gewährleistet werden, dass die Vergabe von Aufträgen, national sowie international, auf faire Weise erfolgt. Unternehmen, welche die geforderten Nachweise erbringen, die Vergabebedingungen erfüllen und ihr Angebot fristgerecht abgeben, kommen in den Pool der Bewerber.
Wo finden Unternehmen Ausschreibungen?
Europaweite Ausschreibungen sind recht leicht zu finden, sie stehen im „Supplement zum Amtsblatt der EU“. Die Veröffentlichung und auch die offizielle Kommunikation vonseiten der Unternehmen erfolgt rein digital, beispielsweise die Interessenbestätigung oder die Übermittlung von Angeboten. Dabei ist eine adäquate Verschlüsselung der Kommunikation sehr wichtig. Ansonsten droht ein Ausschluss aus dem Bieterverfahren. Das kann bei einem nicht vertraulichen Angebot zu einem hochvolumigen Auftrag sehr ärgerlich sein.
Für nationale Bauprojekte ist die Vergabe der Arbeiten in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A) geregelt. Die Ausschreibungen erfolgen in der Tageszeitung, amtlichen Veröffentlichungsblättern oder auf Internetportalen, die direkt zugänglich und unentgeltlich nutzbar sind. Deutschlandweit ausgeschriebene Projekte finden sich in den unterschiedlichsten Medien wieder. Manchmal kann die Suche für Bauunternehmen und auch für Zulieferer sehr umständlich sein. Elektrobetriebe finden Ausschreibungen von Elektroarbeiten beispielsweise bei ibau, einem Infodienst für Ausschreibungen.
Aufwendige Verfahren schrecken Unternehmen ab
Das Auftragsvolumen der öffentlichen Ausschreibungen, aber auch von privaten Ausschreibungen ist jedes Jahr enorm hoch. Es lohnt sich für Unternehmen langfristig, die entsprechenden Bekanntmachungen im Auge zu behalten. Häufig ist allerdings die Beschaffungspraxis in verschiedenen Unternehmen, auch innerhalb von Organisationen nicht einheitlich. Bei den Vereinten Nationen beispielsweise verfolgen die verschiedenen Unterorganisationen, wie UNHCR oder UNICEF, jeweils eigene Beschaffungsstrategien. Die meisten Beschaffungskonzepte sind allerdings sehr ähnlich und mit den Vergaberegeln in der EU für öffentliche Aufträge vergleichbar. Sie bemühen sich um Transparenz, faire Vergabeverfahren und freien Wettbewerb. Durch den Ausbau des Internets hat sich auch die Informationspolitik der verschiedenen internationalen Organisationen erheblich verbessert. Interessierte Unternehmen können fast alles über die Internetseiten der einzelnen Organisationen recherchieren, wie beispielsweise die Weltbank.
Tipp für ausschreibende Unternehmen und Organisationen: An folgender Stelle haben wir über das Anforderungsmanagement und über die Möglichkeit, Ausschreibungen effizient auszuwerten berichtet.
Viele Unternehmen schreckt die undurchsichtig anmutende Vergabepraxis der internationalen Finanzinstitutionen allerdings ab und sie bewerben sich nicht. Das hat vor allem mit den international sehr uneinheitlichen Regelungen für die öffentliche Beschaffung zu tun.
Knackpunkt Preis bei internationalen Ausschreibungen
Wenn Behörden in Deutschland Ausschreibungen machen, entscheidet am Ende immer der Preis: Umweltaspekte, Regionalität oder weite Transportwege spielen im Vergaberecht eine untergeordnetere Rolle.
Negatives Ausschreibungsbeispiel: Das führt dann dazu, dass die Behörden viele Produkte, die dem reinen Preisdruck unterliegen, wie beispielsweise Schutzmasken, in China ordern. Die deutschen Produkte sind dabei häufig nur wenige Cent teurer, punkten aber mit einem besseren Lohn für die Mitarbeiter und einer besseren CO2-Bilanz. Dennoch bekommt der chinesische Anbieter den Vortritt, auch wenn das dann in Deutschland Kurzarbeit oder sogar Entlassungen bedeutet. Es gibt keine Regulierung, wie sich lokale Unternehmen gegen die Importe aus Fernost besser durchsetzen können. Das gilt nicht nur für Behörden, auch große Supermarktketten, wie Aldi oder Kaufland, beziehen ihre Masken zum großen Teil aus China.
Welche Richtlinien gelten für öffentliche Aufträge?
Zwischen staatlichem und privatem Konsum gibt es sehr große Unterschiede. In Deutschland gilt eine Reihe von Regelungen, Verordnungen, Richtlinien und Gesetze, wenn es um die Ausschreibung von Aufträgen geht. So ist beispielsweise genau geregelt, ab welcher Auftragsgröße eine Ausschreibung national oder europaweit erfolgen muss. Auch was der Staat von den Unternehmen verlangen darf, ist geregelt.
Einen wichtigen Grundsatz enthält das „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Paragraph 127: Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt“. Meist erhält das Angebot mit dem niedrigsten Preis den Zuschlag. Soziale oder ökologische Kriterien und Standards waren Wettbewerbsverzerrer und damit vergabefremd.
Das hat sich erst im Jahr 2014 mit den neuen EU-Vergaberichtlinie geändert. Die Nachhaltigkeitskriterien haben eine Aufwertung erfahren. Diese Richtlinie ist in Deutschland seit 2016 eher halbherzig umgesetzt. Die Umsetzung der Reform lag bei den Ländern und Kommunen. Ein großes Problem dabei ist das Prinzip der Freiwilligkeit. Die neuen Richtlinien sehen vor, dass ausbeuterische Kinderarbeit oder Umweltzerstörung ein Ausschlusskriterium sein können.
Wie kann ein Unternehmen erfolgreich an einer Ausschreibung teilnehmen?
Damit das eigene Angebot erfolgreich wird und die Chancen auf einen Zuschlag steigen, ist es wichtig, die wesentlichen Anforderungen für die Angebotserstellung zu kennen.
Als Erstes erfolgt die Teilnahmeentscheidung. Die Frage, ob sich die Teilnahme wirklich lohnt, sollte ein Unternehmen mit einem bedingungslosen Ja beantworten. Ist dann die passende Ausschreibung gefunden, geht es daran, die Unterlagen durchzusehen und genau zu analysieren. Dabei sind die Eignungskriterien für das Unternehmen besonders wichtig und ob es möglich ist, die genannte Angebotsfrist einzuhalten. Durch eine Teilnahme entstehen auch Verpflichtungen, wie beispielsweise die Einhaltung von Mindestlohn oder die Erfüllung von Pflichten in einem Lastenheft.
Es kann sehr hilfreich sein, sich auch die Mitbewerber anzuschauen und die Chancen für den Auftrag einzuschätzen. Der Zeitaufwand für das Nachweis- und Anforderungsmanagement stellt oft ebenfalls eine große Herausforderung dar.
Wenn sich die Teilnahme lohnt und die ersten Hürden gelöst sind, geht es daran zu klären, ob das Unternehmen in der Lage ist, den Auftrag fristgerecht zu stemmen. Im nächsten Schritt wird das Angebot erstellt, das alle geforderten Punkte aus den Vergabeunterlagen erfüllen muss. Es ist zwar mühsam und zeitaufwendig, hier sehr exakt zu arbeiten. Aber im B2B-Bereich führen formale Fehler direkt zum Ausschluss aus dem Vergabeverfahren. Wenn Erklärungen, Zertifikate oder Preisangaben fehlen, ist ein Angebot nicht mehr direkt mit denen der Mitbewerber vergleichbar.
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