Nachhaltigkeitstrend – Kommt das BIO-Siegel jetzt auch für die Fertigungsindustrie?

Biocomposites

Die Verpackungsindustrie ist die mit Abstand die wichtigste Absatzbranche für „grüne“ Verbundwerkstoffe. Daher ersetzen zahlreiche Branchen auf Biokunststoffe, um herkömmliche Produkte auf Erdölbasis abzulösen. Insbesondere Flaschen, Folien, Taschen und Beutel bestehen heute schon zu einem großen Teil aus Biokunststoffen. Doch der Trend geht jetzt schon deutlich weiter. Nicht nur zahlreiche Forscher, sondern auch die Industrie arbeiten mit Hochdruck daran, nachwachsende Rohstoffe auch für den CFK-Leichtbau nutzbar zu machen. Zu diesem stetig wachsenden Markt erwarten wir für die Zukunft weitere interessante Anwendungsmöglichkeiten.

Autoindustrie – Prototypen aus Hanffasern und Sojamehl

Bereits in den 1920er Jahren hatte Henry Ford Interesse an Kunststoffen aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen gezeigt. Dabei galt sein Fokus besonders auf Hanffasern und Sojamehl. Daraus erstellte er Autoprototypen mit entsprechenden Karosserieteilen, wie zum Beispiel einen Kofferraumdeckel. Dieser war sehr stabil. Ford schlug mit einer Axt in einem Werbeclip auf diesen Kofferraumdeckel ein, ohne ihn dabei zu zerstören. Später wurde insbesondere sein Soybean-Car – das „Sojabohnen-Auto“ – aus den 1940er Jahren bekannt, dessen Karosseriepaneele aus einem sojahaltigen Kunststoff bestanden.

Seitdem sind nun einige Jahre vergangen. Doch auch nach 80 Jahren, sind Bio-Based Composites vor allem mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit wieder voll im Trend. Laut der Studie Bestandsaufnahme Leichtbau in Deutschland (2015: VDI-Zentrum für Ressourceneffizienz) sind Kunststoffe, die durch Naturfasern aus Hanf, Flachs oder Baumwolle mechanisch verstärkt werden, im Automobilbau vor allem für Innenraumanwendungen bereits etabliert. Sie sind wirtschaftlich durchaus konkurrenzfähig. Darüber hinaus zeigen die Werkstoffe bei einem Crash positive Eigenschaften, da sie nur eine geringe Neigung zum Splittern haben. Auch beim Thema Schalldämmung sprechen die Werkstoffe für sich.

Die Automobilindustrie geht dabei noch einen Schritt weiter: Derzeit arbeiten verschiedene Forschungsinstitute daran, Carbonfasern auf der Basis von Lignin (Holzstoff) herzustellen, um nachwachsende Rohstoffe für den CFK-Leichtbau nutzbar zu machen. Toyota verbaut in einigen Modellen Sitzpolster, Fußmatten und Seitenverkleidungen, die auf PLA-Basis (Polymilchsäure) hergestellt wurden. Der Reifenhersteller Continental arbeitet währenddessen an Reifen aus Löwenzahnkautschuk. Die Wissenschaftler der RWTH Aachen haben zusammen mit belgischen Kollegen umweltverträgliche Autobauteile entwickelt, die vollständig aus Pflanzenfasern und Biokunststoffen bestehen. Die Möglichkeiten scheinen daher in dieser Branche bereits jetzt sehr weitreichend zu sein.

Biokunststoffe für mehr Hygiene

Die Entwicklungen gehen natürlich über die Automobilindustrie hinaus: In zahlreichen anderen Branchen, etwa in der Verpackungsindustrie, ersetzen Biokunststoffe herkömmliche Produkte auf Erdölbasis. Neben dem guten Image sind dafür auch zahlreiche bessere Eigenschaften verantwortlich. So eignen sie sich für Frischeprodukte und verderbliche Lebensmittel, da Obst und Gemüse aufgrund der höheren Atmungsaktivität länger frisch bleiben. Eine Fähigkeit, die sich auch bei der Verarbeitung zu Hygienefolien wie etwa in Windeln positiv auswirkt. Nicht zuletzt fördert der Gesetzgeber in vielen Ländern den Einsatz von Biokunststoffen im Verpackungsbereich. So sind nicht-abbaubare Plastiktüten in vielen Ländern ganz verboten oder ihr Einsatz wird durch Entgelte reduziert.

Steigende Nachhaltigkeitsanforderungen – Bio-Based Composites

Ein wichtiger Schritt, denn die Verpackungsindustrie ist die mit Abstand wichtigste Absatzbranche für „grüne“ Verbundwerkstoffe. Vor allem Flaschen, Folien, Taschen und Beutel bestehen mit einem Anteil von rund 58 Prozent aus Biokunststoffen. Gefolgt werden diese von Textilien (11 Prozent), Konsumgütern (7 Prozent) und Automotive (7 Prozent). Es gibt ein kontinuierliches Wachstum dank steigender Nachhaltigkeitsanforderungen in diesem Bereich. Die weltweite Produktionskapazität der Biokunststoffe nimmt sich mit 2,05 Mio. Tonnen im Jahr 2017 neben den jährlich rund 320 Mio. Tonnen erdölbasierter Kunststoffe zwar noch relativ bescheiden aus. Doch steigende Nachhaltigkeitsanforderungen, anspruchsvollere Anwendungen und eine zunehmende Zahl von Materialien und Herstellern versprechen künftig ein kontinuierliches Wachstum.

Experten rechnen bis 2022 mit 2,44 Mio. Tonnen globaler Produktionskapazität sowie der Schaffung von bis zu 300.000 hochqualifizierten Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2030 – allein in Europa. Auch die Fachleute des Marktforschungsinstituts Ceresana konstatieren, dass Biokunststoffe deutlich höhere Wachstumsraten als herkömmliche Standardkunststoffe erzielen. Angesichts der steigenden Nachfrage und eines immer breiter werdenden Anwendungsspektrums werde sich dieser Trend sogar noch weiter verstärken. In der Marktanalyse von 2016 wird von einem weltweiten Gesamtumsatz der „grünen“ Kunststoffe in Höhe von über 2,6 Mrd. USD ausgegangen.

Bio-Based Composites-Produktion weltweit

Experten unterscheiden bei Biokunststoffen zwischen biologisch abbaubaren Kunststoffen, die kompostiert werden können (biodegrable) und biobasierten Kunststoffen, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden (biobased). Während biologisch abbaubare Kunststoffe mit rund 43 Prozent den kleineren Teil der globalen Nachfrage nach Biokunststoffen ausmachen, zeichnen sie sich durch ein dynamischeres Mengenwachstum von jährlich über 11 Prozent aus. Laut der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) liegt der Anteil biobasierter Polymere im Bereich der Strukturpolymere bei etwa 1,5 Prozent. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass er sich bis 2020 mehr als verdoppelt.

Befürchtungen, dass die für das Wachstum des Biokunststoff-Markts benötigten Rohstoffmengen zu Lasten dringend benötigter Anbauflächen gehen, sind derzeit laut FNR noch unbegründet. In diesem Jahr werden demnach rund 0,02 Prozent der weltweiten Agrarfläche für die Bereitstellung von nachwachsenden Rohstoffen für die Biocomposites-Produktion gebraucht. Entscheidend sei vielmehr, einen nachhaltigen Kreislauf zu etablieren, der von der Erzeugung über die Produktion, den Gebrauch – möglichst in Form einer Mehrfachnutzung – bis hin zur Nutzung der anfallenden Abfälle reicht.

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