Lieferengpässe sind ein operatives Risiko für Unternehmen und in doppelter Hinsicht für Fertigungsbetriebe. Durch die hochgelobte Just-in-Time Fertigung und die damit verbundene knappe Lagerhaltung, werden auf der Einkaufsseite eventuelle Produktionsstillstände aufgrund fehlender Materialien und Baugruppen riskiert. Durch die Weiterentwicklung der Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme, (PPS, MES, ERP), konnte jedoch in den letzten Jahren das Risiko, aufgrund fehlender kaufmännischer Informationen, planbar gemacht und reduziert werden. Auf der Verkaufsseite bleibt das wirtschaftlichen Risiko von drohenden Konventionalstrafen, aufgrund verspäteter Auslieferungen, durch beispielsweise Produktionsstillstand und fehlender Materialverfügbarkeit.
Die Wurzel der stetigen Bemühungen die Produktionskosten zu senken, ist der immense Kostendruck im Markt und der Preiskampf internationaler Hersteller, beispielsweise durch den Klassiker, indem Abhängigkeiten der deutschen Industrie, aufgrund chinesischer Lieferketten für bestimmte Produkte entstehen. Hinzu kommen weitere Rahmenfaktoren, wie wirtschaftliche Abhängigkeiten oder Liquiditätsengpässe von Vorlieferanten, beispielsweise in Krisenzeiten oder veränderte Rahmenbedingungen aufgrund neuer Gesetze und Lieferbedingungen.
Umfrage zu den Ursachen aktueller Lieferengpässe in der Produktion
Im Anschluss dieser Umfrage gehen wir auf den Klassiker der Lieferengpässe ein, welcher die Lieferketten der Produktion in vielen Branchen und Produktionssparten. Im Rahmen der Vernetzung unserer Forenmitglieder, beispielsweise über Live-Chat, Telefonate, Gespräche auf Veranstaltungen oder auch mittels gezieltem B2B-Matching, sind wir mitten im Marktgeschehen statt nur dabei. Ergänzend bitten wir in regelmäßigen Abständen, um Marktfeedback mittels anonymer Umfragen und bitten Sie im folgenden an dieser Umfrage teilzunehmen.
Hintergrund zum Klassiker von Lieferengpässen aufgrund internationaler Lieferketten
In der aktuellen Situation kommt uns immer wieder zu Ohren, dass sich gerade in Krisenzeiten, die entstandene internationale Abhängigkeit von Lieferketten, als „temporärer“ Beschaffungsnachteil im Vergleich zum wirtschaftlichen Kostenvorteil herausstellt. In einem Unternehmensbeispiel in Baden-Württemberg ist aufgrund einer Konzernentscheidung, bestimmte Materialien zentral in China fertigen zu lassen, ein Materialengpass entstanden, der alleine zur Kurzarbeit für die Produktionsmitarbeiter geführt hat, obwohl die Auftragsbücher trotz Krisenstimmung voll sind.
Alles begann, als sich bereits in den 80er-Jahren in China mehrere große europäische Elektronikkonzerne im Reich der Mitte niederließen.
Der Grund war simpel: Europäische Unternehmen wollten schon damals von den niedrigen Löhnen, die Arbeiter dort erhielten, profitieren und ebenfalls die Vorteile durch die Beschaffung der dortigen billigen Ressourcen erhöhen.
Hieraus entstanden die sogenannten Joint Ventures, was so viel bedeutet wie ,,gemeinsames Wagnis“. Dies waren und sind Kooperationen zwischen zwei oder mehreren Partnerunternehmen. Diese Unternehmen stellten nun Produkte in Asien her, die jedoch in Europa erfunden wurden.
Doch wenige Jahre später schossen bereits die ersten chinesischen Firmen wie Pilze aus dem Boden, die sehr ähnliche Produkte auf den Markt brachten. Die Vorteile dieser Unternehmen entstanden aufgrund geringerer Kosten, mit denen sie die neuen Marken beziehungsweise Produkte auf den Markt brachten. Der Preisfaktor war ein Erfolgsfaktor, um sehr rasch eine dominante Stellung auf dem Markt zu erreichen, wodurch sie die Stellung der europäischen Firmen unterdrückten.
Produktionsbeispiel für Lieferengpässe aufgrund von chinesischer Abhängigkeit
Bis heute findet in China etwa 50 Prozent der weltweiten Leiterplattenproduktion statt. Damit sind PCBs gemeint (printed circuit boards), Leiterkarten oder auch gedruckte Schaltungen genannt. Sie dienen der elektronischen Verkettung und der Befestigung mechanischer Verbindungen und befinden sich in ziemlich jedem elektronischen Gerät.
Nun kann sich jeder vorstellen, was passiert, wenn die Produktion für diese Leiterplatten in China rückläufig sind. Die europäischen Unternehmen, die in der Herstellung dieser Leiterplatten tätig sind, versuchen die Nachfrage nach diesen wichtigen elektronischen Bauteilen auszugleichen. Doch mit gerade einmal drei Prozent des Marktanteils auf der Welt, die diese europäischen Produktionsfirmen ausmachen, ist dies kaum leistbar.
Selbst wenn europäische Hersteller der Leitplatten das Basismaterial zur Fertigung besitzen, kommt die benötigte Kupferfolie wiederum aus China.
Lieferketten-Status Quo – China versus Europa bei Elektronikbauteile
Die Unterordnung europäischer Unternehmen gegenüber den chinesischen Herstellern ist riskant und zeigt nun die dunkle Seite der anfangs erhofften Einsparungen durch den Produktionsstandort China.
Auch wenn es in Europa Hersteller für wichtige Elektronikbauteile gibt, so ist dies, wie zuvor bereits erwähnt, nur ein geringer Teil, der auf dem Weltmarkt regiert. Hinzukommt, dass sich diese Leiterplattenindustrie in der Europäischen Union vermehrt auf die Produktion kleinerer Prototypen und Kleinserien spezialisiert hat. Diese Unternehmen können zwar durch relativ kurze Lieferzeiten überzeugen, doch sind Sie nicht dafür ausgelegt, die große Nachfrage, die auf dem Weltmarkt nach Elektronikbauteile herrscht, nur annähernd gerecht zu werden.
Ergänzend kommt hinzu, dass sich etablierte Großunternehmen, die sich bereits in chinesischer Hand befinden, seit einigen Jahren in der Produktion dieser Prototypen, versuchen zu etablieren und dies bereits mit Erfolg getan haben. Teile dieses Marktbereichs sind also bereits an asiatische Unternehmen gefallen.
Gehen deutsche und europäische Leiterplattenhersteller gestärkt aus der Krise hervor?
Die wieder anlaufende Produktion in China könnte den durstigen Markt in Europa überschwemmen. Hier hoffen viele deutsche Unternehmen, die in der Leiterplattenindustrie tätig sind, dass nach der Coronakrise die Aufträge weiterhin so häufig für europäische Unternehmen vergeben werden und die Auftragsbücher so gefüllt bleiben, wie dies heute der Fall ist. Denn dies kann als Basis für weitere Investitionsvorhaben für deutsche und europäische Unternehmen dienen. Preise die durch die Produktion in Europa nun relativ zum chinesischen Markt hoch sind, könnten dauerhaft niedrig werden und sogar weiter sinken.
Maschinenbauer wären hoch motiviert, weiterhin und vermehrt in den Standort Europa zu investieren. Dies würde die Produktion der Leiterplattenherstellung weiter vorantreiben und die Herstellung dieser und anderer elektronischer Teile sauberer, kostengünstiger und hochwertiger machen. Neue Industriezweige, die sich der Produktion dieser Teile widmen würden, könnten entstehen und hierdurch können die Arbeitslosenzahlen in ganz Europa langfristig sinken. Denn junge und motivierte Arbeiter und Ingenieure könnten hier einen neuen Arbeitsplatz und Ambitionen finden.
Die Schäden, die der Coronavirus dem Weltmarkt verursacht hat, sind enorm. Auch wenn es in China langsam wieder bergauf geht, ist die dortige Wirtschaftslage weiterhin verheerend: In den ersten beiden Monaten des Jahres 2020 fiel die Industrieproduktion um 13,5 Prozent zum Vorjahreszeitraum ein und auch der Einkauf im Einzelhandel ging um etwa ein Fünftel zurück. China steht weiterhin weit entfernt von der Normalität. Denn Schätzungen zufolge sollen etwa 100 Millionen Wanderarbeiter noch nicht an ihren Arbeitsplätzen zurückgekehrt sein und dies wiederum hat einen starken Einfluss auf den Konsum der Chinesen, da das dafür benötigte Einkommen fehlt.
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